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Akustische Untersuchung der Orgel-Situation

Eine Print-Version (PDF) dieses Beitrags mit Hyperlinks zu den Tondateien finden Sie hier>
Sowohl online wie auch in Print fehlt eine erste Bewertung durch Karl-Bernhardin Kropf. Da diese die laufende Arbeit der Orgelkommission berührt, wird diese hier vorerst noch nicht wiedergegeben.

Akustische Untersuchung der Situation von Orgelempore und Orgelgehäuse in St. Marien Rostock im Oktober 2020

Karl-Bernhardin Kropf

Ausgangslage:

Im Zuge der Vorbereitungen der Orgelrestaurierung schien eine Messung bzw. eine objektivierende klangliche Beurteilung der unterschiedlichen Positionen von Pfeifenwerk im Bereich des Orgelgehäuses zielführend. Es bestanden Vorannahmen und Erfahrungen, die einem genaueren Vergleich unterzogen werden sollten.
Orgelbauer verwenden dafür meist portable Intonierladen. In Ermangelung einer solchen Einrichtung wurde ein Portativ verwendet. Auf diesem wurde ein Skalenausschnitt mit anschließendem längeren Akkord gespielt. Dieser Teil sollte die Entwicklung des Volumens hörbar machen (Direktschall, Hallaufbau).
Anschließend wurde auf einer kleinen Pfeife eine häufige Tonrepetition durchgeführt, wobei hier der Winddruck moduliert wurde, so dass im Aushauchen auch die nächsten beiden „unterblasenden“ Teiltöne hörbar gemacht werden konnten. Dieser Teil diente dazu, die Eignung der Standorte für Pfeifen, deren Wind auch stark abgeregelt werden könnte, zu prüfen.

Das Portativ (a = ca. 415 Hz) war so gestimmt, dass ein reiner C-Dur-Dreiklang (klingend H) entstand. Dadurch sollte auch eine Kontrollierbarkeit des Winddrucks gegeben werden (bei schwebungsfreiem Akkord ist er korrekt). Wie die Aufnahmen zeigen, war es durchaus möglich, einen fast exakt gleichbleibenden Wind zu drücken, um möglichst objektive Ergebnisse zu erhalten.
Aufgezeichnet wurde von der Vierung aus. Zwei Mikrophone (AKG C-1000, Niere) waren in A-B-Aufstellung in Ohrhöhe einer stehenden Person zur Empore gerichtet. Über ein Interface (ZOOM TAC-02) wurden die Signale in 44,1kHz/24bit aufgezeichnet. Die gesamte über eine Stunde lange Tondatei wurde anschließend insgesamt im Pegel noch einmal angehoben. Beim Zuschneiden der einzelnen Standorte fanden natürlich keine Pegeländerungen mehr statt. Da es um die Relativität ging, war die Ausrüstung qualitativ ausreichend, obgleich man sich hochwertigere Komponenten denken kann. Die Aufnahmen im WAV-Format sind archiviert, für den online-Austausch wurde eine hochwertige mp3-Konvertierung (320 kb/s) verwendet.

Standorte

Es wurden für die Aufnahmen einerseits Positionen gewählt, die bereits jetzt von Pfeifenwerk benutzt werden, andererseits auch welche, an denen sich zur Zeit keines befindet. Vergleichshalber wurden auch Aufnahmen von der Emporenbrüstung aus (von der Mitte und vom nördlichen Vorsprung, auch „Halleluja-Felsen“ genannt) gemacht.

Schwierigkeiten

Im Jahr 2020 läuft ein längerfristiges Sanierungsprojekt an Fenstern des nordöstlichen Seitenschiffsbereich. Der ohnehin relativ stark in der Kirche vernehmliche Lärm aus der Langen Straße dringt durch die provisorische Papp- und Folienabdeckung nun noch deutlicher in die Kirche. Deshalb musste mitunter der erste Teil einer Standortaufnahme (Akkord) vom zweiten getrennt werden, wenn ein Auto oder eine Straßenbahn „dazwischenfuhr“ etc.
Durch die oft schwierigen Aufstellungen war die Spielhaltung erschwert. Dies führte zu den gelegentlich wahrnehmbaren Unsauberkeiten. Ich habe außerdem versucht, den Schallaustritt des Instruments nicht durch meinen Körper zu behindern. Deswegen wurde die Nordseite gewählt, weil ich am linken Rand des Instruments stand, saß oder lag, und der rechte dann dem Raum etwas zugewandt werden konnte. Nur an zwei Stellen musste die Südseite gewählt werden, weil die örtlichen Umstände (Lage von Treppen, Gangbrettern etc.) dort günstiger war.

Eine Art „Kalibrierung“ wude ebenfalls aufgezeichnet: Die tiefste Portativ-Pfeife wurde im Kronwerk eingesetzt. Auch wenn am Pfeifenstock etwas Nebenluft auftrat, konnte der Ton genutzt werden, um mit entsprechenden Pfeifen (jeweils Octav 4‘) der Teilwerke der Orgel zu vergleichen. Die Portativ-Pfeife ist zuerst zu hören, danach folgen Man. IV, III, I und II. Natürlich ist die Portativ-Pfeife die schwächste, aber man kann in etwa die Verhältnisse zu den „echten“ Orgelpfeifen erfahren. Als permanente Kalibrierung für den Hörer kann übrigens das Ticken der Astronomischen Uhr dienen, welches trotz einer den aus Westen kommenden Schall bevorzugenden Richtcharakteristik der Mikrophone aufgrund der empfindlichen Einpegelung ebenfalls deutlich vernehmbar aufgezeichnet wurde.

Technik in der Vierung

Mikrophone

Reihenfolge der Aufnahmen

Die Aufnahmen erfolgten auf einer Art Wanderung durch die Positionen und wurden dementsprechend, quasi geographisch, ein erstes Mal gereiht. Auf der folgenden Abbildung sind die Hüllkurven (= Pegel) dieser Aufnahmen mitsamt der Nummerierung zu sehen. Es folgt eine Legende der Positionen. Hinter jeder stehen zwei Zahlenwerte, z. B. 24/13. Es handelt sich hier um auf 0,5 gerundete Werte der Pegelskala (digital/RMS) in DeziBel, die von der Software (Cubase 9) ausgegeben werden.
Die absoluten Werte sind nicht von Bedeutung, da sie sich durch Aussteuerung etc. verändern. Die Aussteuerung ist aber für alle Ausschnitte identisch, so dass die Relation ablesbar wird. Für das Volumen wird ja eine nichtlineare Skala mit der Spitze 0 dB (Vollaussteuerung) verwendet – je höher der Zahlenwert, desto „leiser“ ist der Ausschnitt. Minimale Unterschiede in der Hörwahrnehmung und der Messung sind psychoakustischen Effekten einerseits wie auch dem Einfluss von Umgebungslärm andererseits – auch wenn das Gehör diesen eventuell etwas ausblendet – geschuldet.

Der Maximalpegel des lautesten Clips (zugleich Nr. 01) ist zur Orientierung als Linie durchgezogen.

01 Emporenbüstung vordere Ecke 17/6.5
02 Emporenbrüstung Mitte 17/8
03 Empore rückwärtige Ecke 24/13
04 Stimmgang zw. Laden Man. II (Ebene 1) 27.5/16.5
05 Hinter Prospektpfeifen Eckfeld 22/12
06 Zw. Treppe und Kleinpedal alt 26/15
07 Im Pedalturm auf Ladenhöhe (Eb. 1) 23/10
08 Eckfeld auf Höhe Kleinped. neu (Eb. 2) 26.5/16
09 Hinter Mündungen Pr. 16‘ Mittelfeld 24.5/14.5
10 Balkon Mittelfeld (Ebene 3) 20/9

11 Stimmgang zw. Laden des I. Manuals 26/15.5
12 Balkon Eckfeld 24/13
13 Oberer Gang Pedal 22/10.5
14 Ebene 3 hintere Ecke (Tremulanten SW) 26/15
15 Pedalturm Oberprospekt (Ebene 4) 21.5/11.5
16 Eckfeld Oberprospekt 24.5/14.5
17 Mittelfeld Oberprospekt 24/14
18 SW-Dach (Ebene 5) 23/13
19 Kleiner Boden zwischen Kronwerk und SW 22/11
20 Kronwerk 23.5/13.5

Die Aufnahme mit der „Kalibrierung“ bzw. einem Vergleich der Portativ-Lautstärke mit dem Pfeifenmaterial der Orgel findet sich im folgenden Link.

Zu hören sind die Töne c‘ Portativ bzw. h° aus Octav 4‘ in der Folge Portativ, IV. Manual, III. Manual, I. Manual, II. Manual

Portativ-Pfeife c1 (erkennbar am Stimmring aus roter Pappe) auf dem Platz von Cis aus Pommer 4‘ im Kronwerk

Es folgen nun die Einzeldarstellungen, auf diese folgen Vergleiche.

Achtung, vor allem für die vergleichenden Tondateien ist eine hochwertige Wiedergabe wichtig. Auf kleinen Lautsprechern sind die teilweise sehr geringen dynamischen Abstufungen nicht erkennbar!

Die einzelnen Aufnahmen – Standortbeschreibungen und Tonaufnahmen

01 – Empore, Nordostecke – weitest auskragende Stelle

03 – Empore, zurückgesetzt, auf der Linie der auf die historische Position vorgezogenen Verkleidung (theoretischer Schallaustritt eines denkbaren Unterwerks)

04 – Ebene 1, Stimmgang zwischen den Laden des II. Manuals („Hauptwerk“)

05 – hinter dem Eckprospektfeld Ebene 2 (vor Lade Man. II)

06 – ähnlich 05, aber weiter hinten vor Kleinpedal alt

07 – Stimmgang Großpedal nahe dem vordersten Prospektfeld

08 – Ebene 3 (südseitig) Gang über Großpedal, Höhe Pedal-Prinzipal 16‘

09 – Gang Ebene 3 hinter dem Mittelprospekt (Prinzipal 16‘ Man. II)

11 – Ebene 3 zwischen den Laden von Manual I

12 – Ebene 3, Balkon Eckfeld, Blick Richtung Süden

13 – Oberer Gang im Pedalturm (beim „Museum“)

14 – hintere Ecke Ebene 3 (SW-Tremulanten über Kleinpedal)

15: Oberer Abschluss Pedalturm (hinter Prospekt, Ebene 4, südseitig, Bllickrichtung etwa Ostsüdost)

16 – Oberer Prospekt, Eckfeld (vor SW), Blick nach Norden

17 – Oberer Prospekt (Eb. 4), Mittelfeld vor Man. III, Blickrichtung Nord

18 – Dach des Schwellwerkes, nordwestliche Ecke, Ebene 5

19 – Kleiner Boden zwischen Kronwerk und SW

20 – Kronwerk (Portativ spricht nach Westen gegen die Wand)

Vergleiche

Für eine direkte Abfolge der Klänge und die hörbare Abnahme ihrer Kraft bzw. Präsenz im Raum wurde aus jeder Aufnahme das Maximum des Akkordes in der Dauer einer Sekunde entnommen und gereiht. So begibt man sich in 20 Sekunden von der stärksten zur schwächsten Position.
Hier zunächst einmal die Sortierung der Clips nach Hüllkurven/Dynamik:

Die Abfolge als Liste:
01 Empore vordere Ecke 17/6.5
02 Emporenbrüstung Mitte 17/8
10 Balkon Mittelfeld 20/9
15 Pedalturm Oberprospekt (Eb. 4) 21.5/11.5
19 Boden zw. KW und SW 22/11
13 Oberer Gang Pedal 22/10.5
05 Hinter Prospektpfeifen Eckfeld 22/12
18 SW-Dach (Ebene 5) 23/13
07 Im Pedalturm auf Ladenhöhe (Eb. 2) 23/10
20 Kronwerk 23.5/13.5
03 Empore rückwärtige Ecke 24/13
17 Mittelfeld Oberprospekt 24/14
12 Balkon Eckfeld 24/13
16 Eckfeld Oberprospekt 24.5/14.5
09 Hinter Mündungen Pr. 16‘ Mittelfeld 26/14.5
06 Zw. Treppe und Kleinpedal alt 26/15
14 Ebene 3 hintere Ecke 26/15
11 Stimmgang zw. Laden Man. I 26/15.5
08 Eckfeld auf Höhe Kleinped. neu (Eb. 3) 26.5/16
04 Stimmgang zw. Laden Man. II (Eb. 1) 27.5/16.5

Dazu zunächst reine Hörversionen:
Abfolge der Klänge nach der oben dargestellten Liste:

Zwei Vergleichspaare wurden gebildet, und zwar zunächst der lauteste und der leiseste Klang überhaupt:
01 – Emporenvorsprung gefolgt von 04 – Stimmgang Windladen Man. II

…und als zweites der lauteste und leiseste Klang, der tatsächlich von einem Pfeifenstandort
innerhalb des Gehäuses kommt:
10 – Balkon Mittelfeld gefolgt von 04 – Stimmgang Windladen Man. II

Es gibt auch ein Video zu diesen drei Aufnahmen mit der Abbildung des Prospekts und synchron zum Klang aufleuchtenden Positionen. Die Größe des Rahmens und des inneren Rechtecks deuten an, ob das Portativ eher an der Front oder hinten im Gehäuse stand. Die südseitig aufgenommenen Positionen wurden nordseitig dargestellt:

 

Es erfolgte anschließend eine erste Bewertung durch Karl-Bernhardin Kropf. Da diese die laufende Arbeit der Orgelkommission berührt, wird diese hier vorerst noch nicht wiedergegeben.
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