Zweite Sitzung der erweiterten Orgelkommission
Am 24. März 2022 trat die erweiterte Orgelkommission zum zweiten Mal zusammen. Die aktuelle Corona-Situation ergab, dass die Sitzung mit 15 Teilnehmern in hybrider Form durchgeführt wurde.
Eröffnet wurde mit einer Präsentation durch den Restaurator Bastian Hacker, der im Jahr 2020 das Gehäuse der Orgel sowie die darunter liegende Fürstenempore konservatorisch untersucht hat. Die Präsentation gab einen Einblick in die Geschichte der Gehäusefassungen und ihren aktuellen Zustand, auch wurde das zukünftige Vorgehen umrissen.
Der abschließende Bericht mit einer Empfehlung für die Art der äußerlichen Restaurierung sowie eine zugehörige Kostenschätzung wird in Kürze vorgelegt werden. Demnach wird empfohlen, die grau-grüne Farbfassung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (ca. 1841, Überarbeitung um 1885) zu reinigen und wo nötig zu festigen. Probestellen wurden angelegt. Die Polimentvergoldung stammt aus der Bauzeit der Orgel (1766-1770), auch hier wären Fehlstellen vorsichtig zu ergänzen und der Bestand zu sichern. Hunderte Eisennägel beeinträchtigen durch Korrosion den Zustand des Gehäuses, auch gibt es Risse in den Holzteilen.
Ein Freilegen der bauzeitlichen Farbfassung (1770) wird nicht empfohlen, da einerseits die jüngere Fassung zerstört und aufgrund der Vergilbung des Bindemittels voraussichtlich ein stark fleckiger Eindruck entstehen würde.
Das größte Problem ist die umfassende Belastung durch die Holzschutzmittel Xylamon (vor allem im Inneren, 1938) und Hylotox (1983), womit die Giftstoffe DDT, PCP und Lindan in die Orgel und teilweise auch auf die Fürstenempore (Hylotox) eingebracht wurden. Eine vollständige Dekontamination ist nicht möglich, über substanzschonende Verfahren wurde diskutiert. Für die künftigen Arbeiten an Orgel und Empore bedeuten diese Belastungen hohe Auflagen in Blick auf Arbeitsschutz für Restauratoren und Orgelbauer.
Im Bereich der Fürstenloge sind auch leichte Schäden an originalen Fensterscheiben zu beheben, der noch vorhandene Teppich aus der Bauzeit (1749-1751) ist stark beschädigt und verunreinigt. Für seine Restaurierung bzw. Konservierung wird ein eigenes Gutachten erstellt werden.
Der zweite wichtige Punkt der Sitzung war die Vorstellung eines ersten Konzepts für die Erneuerung der Orgel. Erarbeitet wurde dieses von einem Ausschuss, bestehend aus den Orgelsachverständigen und den Organisten in der Kommission. Eingeflossen sind auch Erkenntnisse aus einer im Herbst 2021 durchgeführten Bereisung der Instrumente von Kassel, St. Martin (Hauptorgel und „Modul“), und Würzburg, Musikhochschule (Großer Saal).
Das Konzept sieht die Schaffung eines im Verhältnis zur bestehenden Orgel kleineren, dadurch aber räumlich besser organisierten Instruments hinter der historischen Fassade vor, bei dem einerseits klassische technische Prinzipien wie auch neueste Ausdrucksmittel zur Anwendung kommen sollen. Dabei werden mechanische Mittel gegenüber elektronisch gesteuerten bevorzugt, letztere aber auch nicht völlig ausgeschlossen. In klanglicher wie auch technischer Sicht sind sehr hohe Maßstäbe anzulegen. Eine stilistische Ausprägung wird gegenüber dem Universalorgel-Ideal bevorzugt. Außerdem soll das Instrument eine deutliche „Verlängerung in die Zukunft“ erfahren, was das Ermöglichen jüngerer Spiel- und Steuerungsweisen meint, ohne dass Verluste für die konventionelle Nutzung in Liturgie und Konzert eintreten.
Aufgrund der der Größe der Kirche sowie der Art der gegenwärtigen und künftigen Nutzung spricht sich die Arbeitsgruppe für die Errichtung einer Chororgel aus. Diese soll konzeptionell einerseits auf die Hauptorgel bezogen sein, muss aber auch die typischen Aufgaben einer Chororgel autonom erfüllen können.
Es folgte eine ausführliche Diskussion des Konzeptes. Von Bedeutung ist die Frage nach dem Umgang mit dem vorhandenen Material an Pfeifenwerk und Windladen. Der seit 1938 bestehende Kontext überzeugt nicht. Die durchaus vorhandene Reize des Pfeifenmaterials von 1938 (ca. 50 von 83 Registern) sind in dem großen Raum kaum wahrnehmbar. In der aktuellen Kombination von Windladen, Pfeifen, Aufstellung und Kirchenraum reicht es nicht, nur eine dieser Komponenten wesentlich zu verändern – darüber bestand schon im Kolloquium 2009 weitgehende Einigkeit.
Die Arbeitsgruppe wünscht sich, dass die letztlich ausführenden und die Gestaltung des Instruments mitbestimmenden Orgelbauer frei entscheiden dürfen, welche Teile des Pfeifenwerks in der erneuerten Orgel enthalten sein sollen. Die Denkmalpflege legt wiederum Wert darauf, dass die Integration historischer Substanz als Zielstellung formuliert wird und das Ausscheiden von Komponenten sorgfältig begründet sein muss. Diese Auffassung wird von der gesamten Kommission bestätigt.
Die Schadstoffbelastung der vorhandenen Bauteile wird die Einschätzung des Erhaltungswertes beeinflussen. Die barocken Windladen sind denkmalpflegerisch von eingeschränktem Wert, da sie stark überformt sind (nur die Kanzellenrahmen gehen noch auf das 18. Jhdt. zurück, Windkästen und Pfeifenstöcke sind jünger). Für alles ausgeschiedene Material wird die Einlagerung oder die Neu-Nutzung vorgesehen – letzteres könnte vielleicht sogar im Bereich der Rostocker Innenstadtgemeinde möglich sein.
Die nächste Phase des Projekts wird sich der Ausarbeitung eines klanglichen Gesamtkonzepts sowie des Chororgel-Themas widmen. Die Frage, ob eine Chororgel eher „sichtbar“ oder „unsichtbar“ konzipiert wird, hat mit ihrer klanglichen Gestalt zu tun und steht in Wechselwirkung mit der Standortfrage, die wiederum mit dem Nutzungskonzept des Kirchenraums zusammenhängt. Hierzu wird die Arbeitsgruppe für die Denkmalpflege Vorarbeit leisten, auch die Kirchengemeinde wird die entsprechenden Überlegungen anstellen. Das Thema Chor-Orgel bedeutet eine noch intensivere Einbindung der Denkmalschutzbehörden aus Bundesland und Landeskirche.
Die bisher ausstehenden Untersuchungen der Statik im Bereich der Orgel und der Zustand des Rüstwerks sind in die Wege geleitet und werden in den nächsten Monaten stattfinden.
In weiterer Folge wird nach aktuellem Stand ein beschränkter Wettbewerb durchgeführt werden, in dem Orgelbauwerkstätten eingeladen werden, die Gestaltung des künftigen Instruments zu diskutieren und weiter zu entwickeln. Für diese Vorplanungen sind auch Finanzmittel vorzusehen. Erst nach Abschluss dieser Phase sind genauere Aussagen zum finanziellen Gesamtaufwand möglich, so dass dann die Frage der Finanzierung zu klären ist und naturgemäß erst dann die finale Entscheidung und Auftragsvergabe stattfinden kann.